Die unterschätzte Rolle der Gläubigen
Betrachtet man die Geschichte der Kirche, so wird deutlich: Ihr Fundament war niemals allein ihre eigene Struktur, sondern vor allem die Gläubigen, die sie getragen haben. Nicht die Kirche war es, die dauerhaft die Menschen stützte, sondern die Menschen waren es, die durch ihren Glauben, ihr Vertrauen und ihr Engagement die Kirche über Jahrhunderte hinweg am Leben hielten.
Diese Tatsache wurde jedoch oftmals übersehen. Die Kirche verstand sich als Quelle des Glaubens, ohne immer klar anzuerkennen, dass ihre Kraft und Bedeutung in erster Linie aus der Hingabe der Gläubigen erwuchsen.
Heute, in einer Zeit des Wandels, zeigt sich die Folge dieser Fehleinschätzung. Viele Menschen suchen das Göttliche nicht mehr ausschließlich in Institutionen, sondern in ihrem eigenen Inneren – im Gewissen, im stillen Gebet, in der unmittelbaren Beziehung zu Gott. Dadurch verliert die Kirche nicht zwangsläufig an Wert, wohl aber an Alleinstellung.
Die Herausforderung für die Kirche liegt daher nicht darin, ihren Einfluss um jeden Preis zu bewahren, sondern in der Fähigkeit, sich neu zu verstehen: weniger als Mittelpunkt, mehr als Begleiterin. Wenn sie es schafft, die geistige Reife ihrer Gläubigen anzuerkennen und zu fördern, kann sie weiterhin eine bedeutende Rolle spielen – nicht als Herrin über den Glauben, sondern als Partnerin im Glauben.
So betrachtet, ist der Bedeutungsverlust der Kirche kein Untergang, sondern eine Chance: die Möglichkeit, in Bescheidenheit zu wachsen und ihren wahren Platz zu finden – nicht über, sondern mit den Menschen.
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